Licht, Farbe und Arte Povera: Die Sammlung Panza di Biumo in Varese
Ruth Fühner
Als wir in den 90er Jahren erstmals die Sammlung Panza di Biumo in Varese besuchten, war sie noch beinah ein Geheimtipp. Wir mussten uns telefonisch in Mailand anmelden und wurden dann vom Gärtner empfangen. Der entpuppte sich als Dilettant im besten Sinn – als Liebhaber mit Sachverstand, denn er war dabei gewesen, als das erste Geschoss der Villa und die Ställe unter Aufsicht der Künstler selbst umgestaltet wurden. Heute gehört die Liegenschaft zur FAI, dem italienischen National Trust – und es ist, an einem verregneten Sonntag, rappelvoll.

Die schwarze Kammer von Maria Nordman, ein ehemaliger Stall, in die uns der Gärtner damals zuerst führte, ja quasi einsperrte mit der Ermahnung, mindestens 20 Minuten drin zu bleiben, ist immer noch da. Und immer noch ist es eine Herausforderung und ein Erlebnis, erst mal zur Ruhe zu kommen und das Dunkel auszuhalten. Sich im Raum zu bewegen, ohne etwas zu sehen – und dann langsam, langsam wahrzunehmen, dass durch eine Ecke des Raums ein schwacher Lichtstrahl von außen dringt. Mit dieser Arbeit – wie fast alle hier speziell für diesen Ort entwickelt* – ist das Thema der Sammlung schon gesetzt: Minimalismus und arte povera, die Rolle des Lichts, die vergehende Zeit.
Die Magie des Lichts

Damals wie heute setzt sich das Thema Licht in Variationen fort im ersten Stock: mit einem langen Korridor, nur erhellt durch die farbige Abstrahlung von Dan Flavins Licht-Skulpturen in den angrenzenden Räumen.
In der Mitte des Korridors ein Abzweig in seltsam asymmetrische weiße Räume von Robert Irwin, in denen quadratische oder rechteckige Einschnitte den Blick auf den Garten draußen freigeben. Man könnte auch „Fenster“ dazu sagen, käme es einem nicht als etwas vollkommen Neues vor: als Angebot, das Außen, die Natur, ihrerseits als Skulptur zu sehen, die mit jeder Bewegung der Betrachterin eine neue Ansicht bietet.

Auch über die Wiederbegegnung mit den Arbeiten von James Turrell freuen wir uns, über die immer neue Raffinesse, mit der er das Himmelslicht in abgeschlossene Räume führt.

Und dann kommt die Überraschung: das Erdgeschoss der Villa, in dem der Rundgang heute, nach der Renovierung 2020, offiziell beginnt. Und das zunächst überhaupt nicht wirkt wie von hier und heute, sondern ans 18. Jahrhundert erinnert.
Mit Stuck und Spiegeln, Kronleuchtern und und plüschigen Sitzmöbeln. Aber nicht in kitschiger Überfülle, sondern streng symmetrisch-rhythmisch gegliedert – und kombiniert mit monochromen Gemälden von KünstlerInnen wie Ruth Ann Fredenthal, Robert Therrien, Phil Sims oder David Simpson.

Monochrom, das sagt sich so leicht dahin. Aber wie viele Farben schichten sich da übereinander, wie unterschiedlich sind sie aufgetragen, wie unterschiedlich fällt daher das Licht auf sie – es ist, bei aller scheinbaren Askese, ein visuelles Abenteuer.

Hier im Erdgeschoss wird der zeitliche Aspekt besonders deutlich, der die Sammlung Panza di Biumo kennzeichnet. Zwei Epochen prallen kontrolliert aufeinander, die Entstehungszeit der Villa und die Gegenwart. Und die Zeit der Kunstwerke – die Zeit, die der Akt des Malens brauchte, der Schnelligkeit, mit der ihre monochrome Oberfläche sich beim flüchtigen Vorübergehen zu erschöpfen scheint – und schließlich die Zeit, die es braucht, wenn man sich auf ihre Tiefe einlässt.
Ganz ruhig kann man werden von so einem Besuch. Bei schönem Wetter würde er im weitläufigen Garten ausklingen – bei Regen bleibt die meditative Versenkung in die winzigen, sekundenkurzen Skulpturen, die die Tropfen auf der sonst spiegelglatten Wasseroberfläche der großen schwarzen Schale im Hof der Villa formen.


*und inzwischen im Besitz des Guggenheim-Museums
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