Viele Frankfurter Kunst-Schätze strahlen im Verborgenen. Es sind die Sammlungen der Banken. Angelegt weniger in der Hoffnung auf bleibende als auf wachsende Werte, sollen sie das Image des seelenlos angehäuften Kapitals mit dem sanften Glanz des Feingeistigen überziehen. Einige von ihnen sind regelmäßig, aber nur nach Voranmeldung zu besichtigen. Andere hingegen sind auch für Laufkundschaft zugänglich – und so lohnen einige der Frankfurter Bankfoyers durchaus einen Umweg.
Julian Schnabel im Opernturm
Im Opernturm der UBS sticht hinter dem Empfangstresen ein riesiges geflicktes Segeltuch von Julian Schnabel in See. Darauf kreuzen sich zwei längliche Formen, auf der einen, rosafarbenen steht „Ahab“, die andere, weiße, müsste demnach Moby Dick sein – ein Traum von maritimer Weite, ein Bild, das den abstrakten Geldgeschäften die blasse Erinnerung an den mannhaften Kampf gegen die Gewalten der Natur entgegenhält, aus dem keiner unbeschädigt hervorgeht.
Feuerwehrschläuche im Taunusturm
Vom Kampf gegen ein zerstörerisches Element kündet vordergründig auch Theaster Gates‘ drei mal 12 Meter großer Bildteppich „Mama Red“ im Taunusturm.
Nur bei genauem Hinsehen entdeckt man, dass die Streifen in unterschiedlichen Rottönen aus gebrauchten Feuerwehrschläuchen bestehen. Unwillkürlich mag man dabei an den heldenhaften Einsatz der Retter vom 11. September 2001 in New York denken. Die Schläuche stammen aber aus Gates‘ Heimatstadt Chicago und erinnern auch an Demonstrationen von Bürgerrechtlern, die die Polizei mit Wasser aus Feuerwehrschläuchen gewaltsam auseinandertrieb.
Viola, Frankfurter Treppe und Wolkiges im Maintower
„Frankfurter Treppe/XX. Jahrhundert“ heißt das riesige Mosaik im Foyer der Helaba im Maintower.
Was auf den ersten Blick wie ein Zufallsfoto in schwarz-weiß aussieht, ist in Wirklichkeit eine Art historischer Mehrfachbelichtung und versammelt prägende Gestalten des politischen und kulturellen Lebens der Stadt, von Marie-Luise Kaschnitz oder Theodor W. Adorno bis Oskar Schindler. Bei der Identifizierung der Gesichter hilft eine unauffällig an einer Säule angebrachte Liste. Doch die unzähligen Stufen bevölkern auch ganz gewöhnliche, namenlose Frankfurterinnen und Frankfurter – der Mann, der zwischen ihnen mit dem Besen kehrt, ist übrigens der Künstler selbst, Stephan Huber.
Gleich nebenan stellt Bill Violas Videoinstallation „The World of Appearances“ vor ganz andere Rätsel. Manchmal sind auf den beiden Projektionsflächen, die sich auf einer Glasscheibe spiegeln, nur bunte Schlieren wie auf einem ruhigen See zu sehen. Wer aber Zeit mitbringt, erlebt den Augenblick, in dem die scheinbare Ruhe ins Gegenteil kippt: ein Mann springt ins Wasser, taucht unter – und verschwindet langsam, unter Zurücklassung bunt schillernder Turbulenzen.
Und noch eine dritte Arbeit strahlt im Erdgeschoss der Helaba: Silke Wagner Neon-Wolke „Grey turns to blue“.
Die Arbeit erinnert an ein Markenlogo – nach dem Motto „Aus Raider wird jetzt Twix“ – aber auch die Assoziation an die Farben des Himmels schwingt mit, der ja schon lange kein herrschafts- und konsumfreier Raum mehr ist.
Viel Kunst im Commerzbank-Tower und im Gallileo-Turm
In der Lobby der Commerzbank-Zentrale dann scheint der Himmel ganz nah: Dramatisch aufgetürmte Wolkengebirge zeigt das riesige Farbvlies von Thomas Emde – die ausgetüftelte Technik des Pigmentauftrags sorgt dafür, dass man beim Durchqueren des Raums wie im Zeitraffer den Tagesablauf von der Morgendämmerung bis zum nächtlichen Blau erlebt.
Im Gallileo-Turm der Commerzbank hingegen kann einem aus mehreren Gründen leicht schwummrig werden. Wer den Blick nach oben schweifen lässt, möchte meinen, ein Erdbeben hätte den Bau erschüttert – drei Brücken ragen verdreht in den luftleeren Raum und führen wie abgerissen ins Nirgendwo. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, wie sehr das gesamte Atrium mit seinen Treppen und Gängen in sich verschoben und verkantet ist – „Fluchtgeschwindigkeit“, eine raumgreifende Arbeit von Magdalena Jetelova.
Nicht das Raum-, sondern das Zeitgefühl verwirrt die große Fotografie von Michael Wesely – eine Langzeitaufnahme vom Entstehen des Gallileo-Hochhauses, in der sich das Nacheinander der Bauphasen in komplexer Gleichzeitigkeit aufhebt.
Henrik Schrats „Wolfsampel“, ein überdimensionaler Scherenschnitt aus dem Dschungel der Großstadt, ist leider zur Zeit fast verschwunden. Die Fassade des Gebäudes an der Gallusanlage hat ein schicker Fahrradladen für sich usurpiert, Neugierige aber können an den Seiten einen Rest dieser filigranen Arbeit entdecken.
Kunst außerhalb der Bankfoyers
Direkt nebenan erstreckt sich vor dem Bau der Deutschen Bahn eine minimalistische Großskulptur von Sol LeWitt. Auf den ersten Blick und im Vorbeifahren erinnert die Abfolge weißer Kuben, passend zum Umfeld, an das Logo einer großen deutschen Bank – wenn man sich aber darauf einlässt, erzeugt das Gittergerüst bei jedem Schritt gleitend eine neue Perspektive auf das dahinter liegende Gebäude und den verkehrsumtosten Außenraum.
Ich habe hier nur einige meiner liebsten Kunstwerke im öffentlichen bzw. halböffentlichen Raum im Zentrum des Frankfurter Bankenviertels vorgestellt.
Zu erwähnen wären viele andere – Franz Wests große hellblaue Wurmskulptur nahe dem Kaiserkarree, die aber dem MMK gehört.
Oder, nochmal im Opernturm, Manfred Peckls Kombination aus dreidimensionaler, meteoritenähnlicher Skulptur und zweidimensionalem schwarzem Strahlenbild (VOID und Phänomenom). Oder, oder, oder.
Fortsetzung folgt bei Gelegenheit.
Scherenschnitt an der Fassade von Mainova an der Konstablerwache
Und hier noch ein bemerkenswertes – und häufig übersehenes – Kunstwerk im öffentlichen Raum, ausserhalb des Bankendistrikts: Der leuchtende Scherenschnitt an der Fassade des Mainova-Heizkraftwerks an der Konstablerwache. Strahlenumkränzt wie die Freiheitsstatue, die Sonnenbrille vor Augen, steuert Apoll, der Gott des Lichtes und der Künste, rasant wie ein Rockstar den Sonnenwagen, gezogen von Feuerrössern und Feuervogel. Prometheus ist da, der den Menschen das Feuer brachte, das Mädchen mit den Schwefelhölzchen und Miez und Maunz, die beiden Katzen, die am Grab des lichterloh verbrannten Paulinchen trauern. Sterntaler breitet ihre Schürze aus, eine Rakete steigt auf, ein Leuchtturm weist den Weg – wohin wohl? Alle Silhouetten dieses phantasievollen Wimmelbilds lassen sich gar nicht so leicht identifizieren – da taucht z.B. neben Feuersalamandern und Feuerlilien ein mythologisches Mischwesen auf mit Adlerkopf, Schlangenschwanz, Löwenpranken und Schmetterlingsflügeln. Überhaupt scheinen es die Schmetterlinge der Bremer Lichtkünstlerin Katharina Berndt besonders angetan zu haben – oder sind es ungewöhnlich prächtige Motten, die das Licht umschwirren, bis sie in ihm vergehen müssen?
“Ins Licht gerückt” heisst Berndts expressive Installation. Tagsüber können vor allem die Mitarbeiter im Inneren des Heizkraftwerks dem Rätselbild nachträumen, nachts leuchtet es für die ganze Stadt. Und überstrahlt den profanen Zweck des Gebäudes so anmutig, dass man seine architektonische Hässlichkeit beinah verzeiht.
Hier gehts zum 2. Teil der Reihe: Kunstspaziergang ihn Frankfurter Bankenviertel
Kunst in und vor Frankfurter Bankfoyers – Ruth Fühner