Auf der 59. Biennale in Venedig beschäftigt sich der Deutsche Pavillon wieder einmal mit sich selbst. Irgendwie gehört das ja zum Pflichtprogramm der deutschen Künstler*innen bei der faschistischen Architekturgeschichte.
Maria Eichhorn habe ursprünglich geplant, den gesamten Pavillon abzutragen und woanders wieder aufzubauen. Wow, was für eine Idee! Man stelle sich vor, auf dem Weg durch die Giardini zum Deutschen Pavillon steht man plötzlich vor einem leeren Platz. Angeblich wäre es bezahl- und durchführbar gewesen. Es blieb aber (leider) ein fiktives Projekt.
Einen Eingriff in die Architektur unternahm Eichhorn dennoch: die Freilegung des Bodens und des Mauerwerks an den Stellen, wo früher der 1909 erbaute bayerische Pavillon war.
1938 wurde er auf Wunsch von Hitler vergrößert: Eine Erweiterung in die Höhe und nach vorne. Außerdem wurde die verspielte Tempelgiebelfront des Pavillons durch einen hoch aufragenden Pfeiler-Portikus ersetzt. Der Mensch fühlte sich im neuen Deutschen Pavillon klein und eingeschüchtert – genauso war es ja auch geplant.
Löcher im Boden und an den Wänden
Maria Eichhorn hat den Boden des trutzigen Baus an manchen Stellen geöffnet, um auf die Fundamente des bayerischen Pavillons hinzuweisen. Bisherige Durchgänge hat sie zugemauert, andere geöffnet. Zusätzlich hat sie mit weißer Schrift auf weißer Wand (und trotzdem lesbar) an den entsprechenden Stellen dokumentiert, was sie gemacht hat. Insgesamt ist es eine sehr sachliche und nüchterne Arbeit.
Am besten ist jedoch ihr umfangreiches Begleitbuch. Darin präsentiert die Künstlerin die finale Recherche zum Deutschen Pavillon und dem architektonischen Werdegang. Beeindruckend gelingt es ihr, die Strukturen offenzulegen, die ein System von Diktatur und Glauben an das Übermenschentum der deutschen Rasse widerspiegeln, darum geht es in ihrer Arbeit. Recherche und Dokumentation sind zentrale Themen in Eichhorns Projekt Relocating a Structure.
Außerdem kann man für einen Euro ein Begleitheft Orte der Erinnerung und des Widerstandes am Eingang kaufen. Es beschreibt verschiedene Wege in Venedig, die an Orte der Verfolgung und an Widerstand gegen die Faschisten erinnern. Es gibt Stadtführungen in deutsch, englisch und italienisch, die kostenlos gebucht werden können.
Auch online sind die beschriebenen Touren mit ihren Geschichten über Partisanen und Faschisten, Besatzung, Widerstand und Verfolgung bereits sehr spannend. Eigentlich ist dieser Part von Eichhorns Kunst der Interessantere.
Hans Haakes Schlachtfeld mit zerstörtem Boden
Die Arbeit erinnert auch an Hans Haakes radikale Geste des aufgehackten Bodens zur Biennale 1993. Als Besucher*in stolperte man über die knirschenden und demolierten Trümmer. Für diesen provozierenden Akt der Zerstörung bekam Haake damals den Goldenen Löwen. Den brachialen Eingriff ließ sich der Künstler damals übrigens nicht genehmigen.
Fazit
Eine zunächst nüchtern wirkende Kunst, die es aber doch in sich hat.
Über den Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale 2021 gibt es hier mehr zu lesen.
Der Deutsche Pavillon in Venedig, 2022.
Weitere Highlights meines Biennale-Besuchs kommen in ein paar Tagen.