Einen schön aufwendigen Wechselrahmen für Kunst leistet sich die DZ-Bank mit ihrem Art Foyer am Platz der Republik in Frankfurt. In dem strahlend weißen Gehäuse mit dem eindrucksvollen Treppenaufgang zeigt die Bank dreimal im Jahr Ausstellungen von KünstlerInnen, die sich mit dem Thema Fotografie beschäftigen. Und das im weitesten Sinn. Immer geht es um die Frage nach den Bedingungen unseres Sehens, der Bilderflut, die unablässig durch unsere Köpfe rauscht.
Deshalb hängen hier nicht einfach nur Fotos an der Wand. Hier finden auch skulpturale Verdichtungen und raumgreifende Installationen unterschiedlicher Art ihren temporären Ort.
So auch in der aktuellen Ausstellung. Sie zeigt unter dem Titel „Durchblick“ bis zum 21. Mai 2022 Arbeiten von Lilly Lulay und Susa Templin (beide übrigens zufällig mit biographischem Frankfurt-Bezug).
Susa Templin: Fotokunst als Raum im Raum
Susa Templins „Totale Wohnung“ reproduziert (bis in die Ausmaße hinein korrekt) mittels auf Stellwänden schwebenden, riesigen Fotoabzügen die Wände ihrer eigenen Wohnung – legt sie jedoch als labyrinthische, begehbare Skulptur an.
Lilly Lulay: ein Spiel mit der fotografischen Wahrheit
Mit dem Reiz orientalisierender Bildmuster spielt Lilly Lulay in ihrer bewegten Collage „Istanbul up and down“ – ständig wechseln der Rahmen und der Bildausschnitt, man sieht die Finger der Künstlerin, verschiedene Bildebenen überlagern einander, neben Postkartenansichten wird genau das sichtbar, was diese gemeinhin ausblenden. Ein anregendes, sinnliches Spiel über „Schönheit“ und „Wahrheit“.
Foto-Kunst im engeren Sinn ist in einem kleinen Kabinett an der Mainzer Landstraße zugänglich. Es fungiert als Durchgangsstation für Bilder, die später im nicht-öffentlichen Arbeitsbereich der DZ-Bank auf den Etagen hängen werden.
Im Auge des Orkans: Marie-Jo Lafontaine
Im großen Foyer der DZ-Bank muss man ein bisschen Glück haben, um die Videoskulptur von Marie-Jo Lafontaine in Aktion zu erleben. Zu festgelegten Zeiten füllt sich der große runde Stahlrahmen mit Aufnahmen flüchtiger Wolkenformationen, aufgenommen auf dem Dach der Bank. „Berauscht von Ewigkeit vergesse ich die Bedeutungslosigkeit der Welt“ heißt die Arbeit, ein Zitat des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa. Es blitzt darin und verwirbelt sich, treibt dahin und ballt und klumpt sich und entlädt sich – ein beziehungsreicher Kontrast zum geschäftsmäßigen Vorbeihuschen des Personals im Foyer (hier offenbar im Casual-Friday-Look).
Draußen vor der Tür flattert dann eine überdimensionale Krawatte im Wind. Die irgendwie spöttisch wirkende Skulptur „Inverted Collar and Tie“ des Künstlerehepaars Claes Oldenburg und Coosje Van Bruggen ist sicher eins der bekanntesten Kunstwerke des Bankenviertels, und wer genauer hinschaut, wird darüber staunen, wie kippelig Kragen und Krawatte auf ihrem Sockel balancieren.
Ein Klassiker der skulpturalen Abstraktion: Max Bill
Gut hundert Meter weiter setzt, ebenfalls im öffentlichen Außenraum, Max Bills klassische Skulptur „Kontinuität“ den denkbar größten Kontrast zu so viel ungestümer Bewegung.
Sie gehört der Deutschen Bank, die in ihrer Frankfurter Zentrale mit öffentlich zugänglicher Kunst eher sparsam umgeht. Leicht zu übersehen hinter tagsüber spiegelnden Fensterscheiben sind die wandgroßen, knallbunten Papiercollagen der Frankfurterin Xenia Lesniewski an der Außenfassade. „Konfabulationen“ lautet der Titel der Arbeit, doch die Slogans und Satzfetzen darin scheinen eher einer zersplitterten Gesellschaft um die Ohren zu fliegen als gemeinschaftsstiftend zu wirken.
Deutsche Bank: mehr als Kunst am Bau
Im Inneren der Zwillingsturmanlage ist es zuerst die Kunst am Bau, die auffällt. Wie ein riesiger Globus hängt über dem Foyer eine tonnenschwere Edelstahl-Skulptur von Mario Bellini – eine Hohlkugel, geformt aus einander umlagernden und überschneidenden Bändern, die, wer mag, als Netzwerk der weltumspannenden Kapitalflüsse lesen kann.
Bellini hat überhaupt das gesamte Turm-Ensemble architektonisch gestaltet. Ein Wechselspiel aus Transparenz und Verschlusssache bilden die unregelmäßigen Fensterbänder über der angezackten Stahltreppe und ihre Pendants gegenüber: mal geben sie den Blick frei aufs Dahinterliegende, mal sperren sie ihn aus und spiegeln ihre Umgebung.
Pop-Art mit Täuschungs-Effekt: Beuys und Turk
Ein wenig versteckt wirkt hinter den Eingangssperren zu den Mitarbeiter-Aufzügen im Turm A eine hintersinnige Dreierkonstellation: als erstes kommt uns da Joseph Beuys, knapp unter lebensgroß, mit strammem Schritt entgegen.
„La Rivoluzione siamo Noi“ verkündet das Foto aus dem Jahr 1971, „Wir sind die Revolution“. Eine pikante Botschaft für ein Bankhaus – aber vielleicht deutet ja die an Sepia erinnernde Farbigkeit darauf hin, dass dieser Gestus längst überkommen und zum Material für Werbeslogans geworden ist.
Flankiert wird die Arbeit von zwei großformatigen Portraits. Das eine scheint wiederum Beuys zu zeigen, diesmal in rot-blauer Warhol-Manier – das andere Andy Warhol selbst, weiß auf Schwarz. Doch das ist eine raffinierte Täuschung: Der Brite Gavin Turk hat sein eigenes Gesicht in die beiden Ikonen der Pop Art hineinmontiert.
Der Raum vor den Aufzügen im Turm B ist – leider nicht besonders gut einsehbar – großformatigen Arbeiten zweier Künstler gewidmet, die ihre Wurzeln in Osteuropa haben. Wawrzyniec Tokarski und Paulina Olowska, Car Mobile Collage, 2009… reflektieren collagenartig das Zeitalter von Popart und Konsumgesellschaft, Faszination und Zerrissenheit liegen da eng beieinander.
Einblicke in die Sammlung der Deutschen Bank
Das Spiel von Sichtbarkeit und Verschlusssache setzt sich auf reizvolle Weise fort an der sogenannten Art Wall. Hier können – wenn sie denn (wieder) in Betrieb ist – BesucherInnen virtuell Biographien und Werke der 60 KünstlerInnen aufrufen, die „live“ nur bei Führungen auf den 60 nicht öffentlichen Etagen der beiden Türme zu besichtigen sind – gegliedert nach Weltregionen und von Ebtisam Abdulaziz über Neo Rauch und Kara Walker bis Jakub Julian Ziolkowski.
Jederzeit öffentlich zugänglich ist das langgezogene Kabinett rechts von der Art Wall. Es dient einerseits einer knappen Präsentation der Artists of the Year wie Wangechi Mutu oder Roman Ondak, denen die Deutsche Bank in Berlin seit 2010 jeweils eine Einzelausstellung widmet. Zum anderen werden hier jüngere Ankäufe gezeigt – gerade sind das die geheimnisvollen Bildtafeln von Sun Xun; haarfein gezeichnete Stills aus einem Stopmotionfilm um einen mysteriösen Zylinderträger.
Riesenaquarelle im Deutsche Bank Campus
Im Foyer des auf der anderen Straßenseite angesiedelten Deutsche Bank Campus kann man leider nur aus einiger Entfernung drei riesige, aber akribisch fein gezeichnete Arbeiten des kubanischen Künstlerduos Los Carpinteros sehen – fast monochrome Aquarelle, die sich mit Reiz und Monotonie des Seriellen auseinandersetzen. Eins davon, ein riesenhaft vergrößerter Orangenpollen von 2016, hat verblüffende Ähnlichkeit mit dem Corona-Virus, ein anderes, eigentlich dem gesichtslosen sozialen Wohnungsbau ihrer Heimat gewidmet, erinnert sehr an den Frankfurter IG-Farben-Bau.
Mehr als ein Lüftungsschacht: Cyprien Gaillard
Wie ein ironischer und mindestens zweideutiger Kommentar auf die Präsenz von so viel Geld und teurer Kunst im Bankenviertel wirkt, direkt gegenüber der Zwillingstürme in der Taunusanlage, Cyprien Gaillards begehbare Skulptur „Der Schacht“. Von außen grau und leicht zu übersehen wie ein Lüftungsschacht, strahlt das mit kostbarem Onyx ausgekleidete Innere in einem Rosa, das an rohes Fleisch erinnert. Nach oben ist das Rund offen zum Himmel, nach unten wird es von einem Rost begrenzt, der an ein Pissoir denken lässt. Ein Scharnier zwischen Öffentlichkeit und Intimität, der glatten Bankenwelt und dem Bahnhofsviertel mit seiner rauen Lebendigkeit und seinem Elend.
Hier gehts zum 1. Teil der Reihe: Kunst in und vor Frankfurter Bankfoyers
Das war der Kunstspaziergang im Frankfurter Bankenviertel – Ruth Fühner