Was Paris recht ist, ist Frankfurt billig. Die Glaspyramiden am Messeturm sind, na ja, fast so schön wie ihre Schwestern im Innenhof des Grand Louvre. Immerhin, in eine Art Museum geht es hier auch. Eins, das es zumindest an Ausdehnung spielend aufnimmt mit dem Louvre: das Frankfurter U-Bahn-Netz.
An der Linie U7 sind wie auf einer Perlenkette vier der künstlerisch attraktivsten Stationen aufgefädelt; drei davon wurden von international erfolgreichen Absolventen der Städelschule gestaltet.
An der Station Habsburger Allee ziehen 66 Esel wie über Karopapier die weißgekachelten Wände entlang. Geduldig trägt jeder seine Last auf dem Buckel: eine Waschmaschine, eine Regenwolke, ein Siegertreppchen. Eine Weltkugel. Einer „äpfelt“ gerade, einer bespringt eine Eseldame, von einem ist nur noch das Skelett übrig. Dazwischen blühen die Lilien auf dem Felde, und auf zwei Eseln sitzt je ein nackter Mann mit Palmwedel. Alltagstrott und christliche Symbolik vereint Manfred Stumpfs „Reise nach Jerusalem“ – eine Erinnerung an den Einzug Jesu am Palmsonntag und an das alte Kinderspiel, bei dem immer ein Stuhl zu wenig ist für alle Teilnehmer.
Zu einem Vexierbild in Schwarz-Weiß ist die schöne bunte Warenwelt am Parlamentsplatz mutiert. Den Reklameprospekt eines Großmarkts blättert Udo Koch auf den Emailletafeln der Station auf. Erst bei genauem Hinsehen erkennt man die Silhouetten von Sesseln und Würstchen, Gläsern und Flaschen, auch ein Gruppenbild mit Krummdolch ist dabei. Fast dreißig Meter lang sind die beiden kontrastreichen Friese, und wenn man erst gelernt hat, Vorder- und Hintergrund auseinanderzuhalten, verliert man sich gern in diesem dekorativen Rätselbild.
Ziemlich kühl wird einem vor den Fotografien von Gerald Domenig in der nächsten Station. Das ist auch Absicht, denn hier geht’s zur Eissporthalle. Sportliche Schlittschuhläufer und artistische Eiskunsttänzer sind zu sehen, ein Keeper im Hockey-Tor, in Erwartung des nächsten Treffers, und ein einsamer Gummihandschuh, auf dem Eis verloren. Gegenüber Bilder aus der Umgebung, von verschneiten Schrebergärten – aber auf den Fotos von der „Dippemess“ und ihren Karussellen wird einem schon wieder warm und beinah schwindlig.
Von hier aus geht’s in Gegenrichtung zurück bis zur Bockenheimer Warte und zu den Arbeiten einer der bedeutendsten deutschen Fotografenpersönlichkeiten: Barbara Klemm. Gezeigt werden – als Hommage an die Universität, die an dieser Stelle einst das oberirdische Leben beherrschte – Ausschnitte aus dem akademischen Alltag. Ein hippieskes Teach-In, der Auftritt der DDR-Schriftstellerin Christa Wolff bei ihrer Poetik-Vorlesung 1982, eine Chorprobe, stumme Mensa-Esser hinter Glas, Fechter im kollektiven Ausfallschritt – die Bilder wecken nostalgische Gefühle, so weit weg sind sie in ihrer schwarz-weißen Entrücktheit vom Studium in den Zeiten des Bologna Prozesses.
Auf dem Weg zum Ausgang, in Richtung der Universitätsbibliothek, führt die unterirdische Kunsttour vorbei an einem dicken Bronzekissen, auf das der Bildhauer Richard Hess die ganze Last der Hallendecke gebettet hat, und schließlich hinauf und hinaus durch den alten U-Bahnwagen von Zbigniew Pininski, der wie ein gewaltiges Urtier aus dem dunklen Untergrund hervorbricht in die taghelle Welt des brausenden Verkehrs.
Eine Broschüre zum Thema hat der VGF 2008 herausgegeben.
Kunst in Frankfurts U-Bahnhöfen ist an manchen Stationen beim Warten auf die Bahn von folgenden Künstlern und Künstlerinnen zu bewundern: Zbigniew Pininski, Richard Hess, Barbara Klemm, Gerald Domenig, Udo Koch und Manfred Stumpf.
Noch mehr Artikel über kostenlose Kunst in Frankfurt:
Kunst in und um Banken und hier
Kunst unter der Erde – der Louvre des RMV in Frankfurt – Ruth Fühner