Heute möchte ich von einem meiner Lieblingsmaler berichten: Lucian Freud – Maler der Queen und der Nackten. Vor 10 Jahren ist der Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud gestorben.
Neben einem kleinen Bild von der Queen, malte er auch Berühmtheiten wie Kate Moss, Jerry Hall, seinen Freund und Malerkollegen Francis Bacon und auch David Hockney. Er malte seine diversen Kinder, seine Mutter, seine Geliebten und seinen Hund Eli. Leigh Bowery, ein Performancekünstler und schillernder Szenetyp mit monumental großem Körper, saß oder lag dem Maler oft Modell. Eine Freundin von Bowery, die unbekannte Sue Tilley, Angestellte in einem Londoner Arbeitsamt, saß, lag und stand ihm vier Mal Modell als Nacktmodell. Aber auch der Industrielle und Mäzen Baron Thyssen-Bornemisza und Andrew Parker Bowles, der erste Ehemann von Camilla, die ja bekanntlich heute die Ehefrau von Prinz Charles ist, saßen für Freud Modell.
Außerdem malte er auch immer wieder Selbstporträts.
Lucian Freud – Maler des Fleisches und der Schamlosigkeit
Freud malte nackte Menschen wie kein anderer: Voluminös, Berge von Fleisch und Fett, mit Cellulites, fleckigem Teint, Falten und allen Zeichen des Alterungsprozesses. Scham und Genitalien sind in aller Deutlichkeit dargestellt, ohne jedoch pornografisch zu wirken. Auch bei seinen Selbstporträts war Freud, was den eigenen körperlichen Verfall betraf, gnadenlos ehrlich. Die Süddeutsche Zeitung schrieb vor 10 Jahren in ihrem Nachruf, „dass er wie kein anderer die Hinfälligkeit des menschlichen Leibes zu zeigen imstande war und es dabei trotzdem schaffte, die Grenzen der Ästhetik nicht komplett zu sprengen.“
Lucian Freud verblüffte mit seinen Kompositionen und den ungewöhnlichen Posen, in denen er seine Modelle darstellte: er drapierte sie zwischen seine schmutzigen Maler-Lappen in der Zimmerecke oder kopfüber das Sofa herab, mit seinem Hund zusammen oder in extremer Untersicht. Andere ‚Sitter‘, so das englische und so passende Wort für ein dem Maler sitzendes Modell, durften auch einfach nur das: Sitzen. Die Queen natürlich, aber auch Freunde.
Arbeitsweise und Malprozess
Freud zeigt mit verstörendem Realismus die Hinfälligkeit des Körpers. Dem Inkarnat kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Seine Gemälde begann er mit einer Kohleskizze auf der Leinwand, vor der er immer im Stehen arbeitete. Mit einem gröberen Schweineborstenpinsel brachte er, beginnend im Zentrum des Gesichtes, die Farbe teils pastös auf die Leinwand. Für manche Partien benutzte er auch statt eines Pinsels einen Spachtel. Seine Vorliebe galt ‚den Farben des Lebens‘: also eher unauffälligen Tönen wie beige, hellgelb, ocker, braun, grau und schwarz. Außerdem benutzte er in den letzten 10 Jahren das kompakte Kremser Weiß, ein Bleiweiß ohne Gelbstich mit hoher Deckkraft: es lässt die Oberfläche wie aufgebrochen wirken und führt zu einer körnigen und krustigen Struktur.
Freud war ein emsiger Maler, fast täglich stand er vor der Staffelei. Immer malte er gegenständlich, nie abstrakt. Meistens hatte er Interesse am Porträt oder am Akt, zunächst hauptsächlich an weiblichen Formen, in den letzten Jahren seines Lebens malte er jedoch auch zunehmend männliche Akte.
Er porträtierte immer nur nach Modell, nie benutzte er Fotos. Die Modelle saßen, lagen oder standen in seinem Atelier. Dieser Prozess dauerte Monate mit manchmal mehrmaligen Treffen pro Woche. Das einzige Modell, für das der exentrische Maler sein Haus verließ, war die Queen.
Lucian Freud gilt als Erneuerer der gegenständlichen Malerei. In seinem Frühwerk (vor 1952) verfolgte er einen strengen, linearen und realistischen Stil, bevor er den malerischen und pastösen Stil (wie oben beschrieben) anwendete mit dem er auch berühmt wurde. Ab den 1980er Jahren erstellte er auch (wieder) Radierungen. Eine davon hat übrigens das Städel in seinem Besitz.
Die Titel der Gemälde sind oft, ohne Hinweis auf die dargestellte Person, allgemein gehalten. Zwar betitelte Freud die Nacktporträts seiner Töchter immer mit ihren Namen.
Doch das Gemälde von Andrew Parker Bowles heißt nur The Brigadier, das von Baron Thyssen-Bornemisza: Man in a Chair, das Bild des Kunstkritikers Martin Gayford: Man with a blue scarf, ein Selbstporträt mit zwei seiner Kinder nannte Freud: Reflektion mit zwei Kindern. Das Bild Large Interior, London W.9. finde ich nicht nur wegen der geografischen Angaben verstörend – es ist ein Doppelporträt mit seiner Mutter (im Bildvordergrund im Sessel sitzend) und seiner damaligen Geliebten (im Hintergrund nackt auf einem Divan ausgestreckt). Und das im Jahr 1973.
Lucian Freuds bewegtes Leben
Als Jude 1922 in Berlin geboren, emigrierte Lucian Freud im Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 mit seiner Familie nach England. Mit 16 Jahren nahm er die englische Staatsbürgerschaft an und gilt als einer der bekanntesten britischen Maler des 20. Jahrhunderts. 1954 bespielte er zusammen mit seinem Freund und Maler-Rivalen Francis Bacon bei der 27. Biennale in Venedig den britischen Pavillon.
Freud war zweimal verheiratet und hatte 14 anerkannte Kinder, die Dunkelziffer wird jedoch auf unglaubliche 40 bis 50 Kinder geschätzt. Bis zu 500 Frauen sollen seine Geliebten gewesen sein.
Die Eigenschaften, die ihm zugeschrieben werden, fallen dementsprechend aus: Rauflustig, sexsüchtig, medienscheu, Freigeist, Eigenbrötler, wettbegeistert (er war oft verschuldet), etc.
Lucian Freud starb am 20. Juli 2011 in London.
Spätestens seit ich 2014 die Ausstellung im kunsthistorischen Museum in Wien gesehen habe, bin ich ein totaler Fan.
Weitere tolle Bilder von Freud gibt es hier zu sehen: das LFA (Lucian Freud Archive) ist auch die Bild-Agentur die die Kunst-Urheberrechte an Lucian Freuds Bildern hat. Leider kostet das Erwerben einer Lizenz zum Posten eines einzigen Bildes 250 £ + Mwst. – das ist zu teuer für mich.
Lucian Freud – Maler der Queen und der Nackten.