von Saskia Wolf:
Die Welt von Steve McCurry ist momentan in einigen Ausstellung in Europa zu sehen. Und was für eine Welt das ist – voller Dramen, Emotionen, Schicksalen, uralten Traditionen und Konflikten, aber auch voller Freude und Farben, Momente der Hingabe und der Stille. An einem regnerischen Sonntag besuchte ich die Ausstellung in Zürich und war fasziniert, nein elektrisiert von Steve McCurrys komplexer Bilderwelt. Wie kaum ein anderer Fotograf schafft er es, tragische und mitreissende Ereignisse in einer harmonischen, ruhigen Art abzulichten. Seine Portraits besitzen eine unglaubliche Aussagekraft. Die Ehre, «einer der grössten zeitgenössischen Fotografen» zu sein, hat er meiner Meinung nach mehr als verdient.
Das Leben von Steve McCurry
Der amerikanische Fotojournalist Steve McCurry wird im April 1950 im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren und arbeitet nach seinem Studium für eine kleine Lokalzeitung, bevor er freiberuflich nach Indien aufbricht. Von Indien reist er über Pakistan nach Afghanistan und erlangt durch seine Dokumentation der dortigen Aufstände in den 1970-er Jahren bereits internationale Anerkennung. Nur mit ein paar Kleidern und seiner Kamera im Gepäck zieht er mit einer Gruppe von Flüchtlingen durchs Land. Nach seiner Rückkehr wird er 1980 mit der «Robert Capa Gold Medal» ausgezeichnet und 1986 Mitglied der Fotoagentur Magnum. Unermüdlich berichtet Steve McCurry seit nun mehr als 40-Jahren aus zahlreichen Kriegen weltweit und von verschwindenden Kulturen, bereist unzählige Länder und Kontinente und schiesst atemberaubende Bilder. Im Vordergrund steht dabei immer der Mensch in der Vielfalt seiner Ausdrucksweisen.
Sein wohl bekanntestes Foto ist dasjenige eines afghanischen Mädchens (Afghan Girl), welches 1984 in einem Flüchtlingslager aufgenommen wurde. McCurry gelingt es, dem Krieg ein menschliches Gesicht zu verleihen. Viele Jahre später wird er mit der Unterstützung durch National Geographic in die Gegend zurückreisen und das Mädchen aufsuchen. Sharbat Gula ist inzwischen eine verheiratete Frau mit drei Kindern. Zu ihrer Ehren wird ein Hilfsfond für afghanische Frauen gegründet.
Vor diesem Hintergrund können wir seine Aussage, die zugleich einen wesentlichen Aspekt seiner Motivation zum Ausdruck bringt, gut verstehen:
Allein die Tatsache, dass ich reise und verschiedene Kulturen tiefgründig erforsche, bringt mir Freude und grenzenlose Energie
Steve McCurry, SRF Interview
In einem aktuellen Interview mit SRF verrät er, dass Südasien diejenige Region ist, in welcher er besonders gern fotografiert. Seine «erste Liebe» aber war es, die Kultur von Indien und Afghanistan kennen zu lernen. Steve McCurry wird mit vielen Preisen ausgezeichnet und mehrmals zum «Photographer of the Year» gekürt. Seine Fotografien werden in allen Museen der Welt gezeigt. Neben seinen Bildern hat er auch unzählige Bücher publiziert. Der Fotograf lebt heute in New York und nutzt im Moment die Pandemie, um sein Archiv durchzuarbeiten.
I think it’s one of the important functions of photography to draw attention to problems and then to see if we can educate people so that it might motivate them to want to make the world a better place
https://www.stevemccurry.com/stories/imagineasia
The World of Steve McCurry in der Maag-Halle, Zürich
Die Ausstellung in der Maag-Halle in Zürich zeigte 148 Fotos von Steve McCurry wurde von der Italienerin Biba Giacchetti konzipiert. Der Besucher reist von Afghanistan bis Indien, von Südostasien bis Afrika, von Kuba zu den Vereinigten Staaten und von Brasilien bis nach Italien. Dabei werden die berühmtesten Werke des Fotografen innerhalb seiner über vierzig-jährigen Schaffensphase gezeigt.
Im ersten Raum gab es eine Serie von Schwarz-Weiss-Fotos, welche während seiner ersten Afghanistan-Reise zwischen 1979 und 1980 entstanden sind, bei der er mit einer Gruppe von Mudschaheddin unterwegs war. Für mich zeigen die Bilder den Spagat auf zwischen dem Versuch der Einwohner ein «normales» Leben zu führen und der ständigen Bereitschaft sich verteidigen zu müssen bzw. in den Krieg zu ziehen. Das Tragen einer Waffe gehörte damals selbst für die Kleinsten zum Alltag.
Steve McCurry kehrt viele Male nach Afghanistan zurück, was im zweiten Ausstellungsraum mit seinen Farbbildern ersichtlich wurde. Von dort aus beginnt auch die Reise um die Welt und man konnte sich ganz in die farbige Welt des Fotografen vertiefen und von seinen aussagekräftigen Portrait-Aufnahmen sowie seinen Darstellungen teils amüsanter, teils dramatischer Naturereignisse in den Bann ziehen lassen. Man stösst auf aktuelles Zeitgeschehen, fremde Kulturen und intensive menschliche Emotionen. Der Audioguide nimmt Bezug auf die abenteuerlichen Reisen von Steve McCurry und ergänzt mit Erzählungen über die Entstehungsgeschichte der Bilder.
Was mir persönlich gefehlt hat, war ein roter Faden durch den zweiten Raum beispielsweise mittels einer chronologischen oder einer geografischen Einordnung. Die gezeigten Bilder passen zwar wunderbar nebeneinander, jedoch wechseln sie abrupt zwischen Jahresdatum und Aufnahmeort. Auf jeden Fall hinterlassen die Bilder einen nachhaltigen Eindruck – voller Inspiration möchte ich nun meine eigene Kamera wieder öfters benutzen.
Hier geht’s zum Video von SRF und Steve McCurry.
Und hier geht’s zur offiziellen Website von Steve McCurry.
Anmerkung: Dieser Artikel ist von Saskia Wolf am 8.10.2021 auf ihrer Webpage arcufo.ch erschienen. Saskia hatte die Ausstellung in Zürich in der Maag-Halle besucht. Ich habe die Ausstellung in Conegliano, Italien im Dezember 2021 gesehen und war genauso begeistert wie Saskia. Die Ausstellung in Conegliano läuft noch bis März, aber auch in Wien, Madrid, Barcelona, Turin und Paris gibt es momentan Steve McCurry-Ausstellungen. Alles zu sehen auf seiner Seite.
Wer mehr über Steve McCurry HÖREN möchte, dem empfehle ich den Podcast KUNST & KNACKIG von Saskia und mir: Mit den Fotografien von Steve McCurry um die Welt bei spotify oder bei Apple Podcasts.
Literatur: Steve McCurry. Icons. Conversations with Biba Giacchetti.Bilder: Eigene Aufnahmen, Maag Halle Zürich © Steve McCurry
Ausstellungstipp: Die Welt von Steve McCurry – Gastbeitrag von Saskia Wolf